Maloche passé

VERLIEBT IN KNUTT

P1070157Zwanzig Uhr zweiundvierzig: Texte über Schokolade und Hotelapartments, über Stadtentwicklung und Transportunternehmen, über Küchenmaschinen mit Kochfunktion und mögliche Unternehmenskrisen sind allesamt bei den diversen Kunden. Jetzt gönne ich mir noch eine Woche exzessives Halligurlaubsdasein. Das wird ein Fest.

Vorweg begonnen habe ich das Fest heute Vormittag mit der schon lange geplanten, vogelkundlichen Führung der Schutzstation Wattenmeer. Meine neu entdeckte Begeisterung (ein halliggeschuldetes Strohfeuer, ich weiß es, aber noch währt es und brennt lichterloh) musste ja endlich mal professionellen Input bekommen. Meine neue Lieblingsgerätschaft (Strohfeuer …): ein Spektiv. Ein gar großartig Ding: Man steht vor einer weiten Wiese – die hier Fenne heißt, eigentlich Weideland und von Gräben umgeben ist – und sieht vogeltechnisch rein gar nichts. Dann stellt man ein Spektiv auf, schwenkt ein bisschen nach rechts und links, und sieht in eben diesem Gras Graugänse, Brandgänse, Heringsmöwen. Besser gesagt: Man sieht sie, wenn man weiß, dass man sie sieht. Vogelkundlerin Katharina wusste das sehr genau und hat ihr Wissen an drei Laien weitergegeben.

Dann wandert man mit dem Spektiv weiter, sieht auf einer Sandbank in der Ferne eine enorme Menge Vögel sitzen – so enorm die Menge, dass man sie mit bloßem Auge sieht – schaut durch das Optikwunder und hat 630 Austernfischer im Blick. Katharina hat gezählt. (Vögel zählen gehört während des freiwilligen ökologischen Jahres zu ihren Aufgaben.) Unter die Austernfischer haben sich Eiderenten gemischt, vor ihnen dümpeln Pfeifenten. Wie herrlich ist das denn?

Die größte Freude aber: Knutts! Aus irgendwelchen Gründen habe ich mich in diese Vögel reinverliebt, kannte sie bis dahin aber nur in der Theorie. Ich hole aus: Der Knutt brütet weit oben im Norden, Grönland und Spitzbergen (!) und so. Überwintern tut er im südlichen Afrika. Auf dem Weg von Nord nach Süd macht er Rast im Wattenmeer – um sich dort das Doppelte seines Ankomm-Gewichts anzufuttern, von 110 auf 220 Gramm. Dermaßen ausgerüstet fliegt er nonstop nach Afrika. Der Knutt.

Was man allerdings durch ein Spektiv sieht, hinterlässt auf der Speicherkarte des Fotoapparates im Zweifelsfall keinerlei Spuren, daher leider kein Knutt-Bild. Aber googeln lohnt sich. Vom Aussehen her vielleicht eher unspektakulär, zumal im Ruhekleid (was ich alles für Wörter lerne …), aber seine Geschichte gefällt mir so gut. Und sein Name. Also reinverliebt. (Es gibt auch eine Schattenseite: Kommt der Knutt im Watt nicht dazu, ausreichend zu fressen, zum Beispiel, weil er zu oft gestört wird, tritt er seinen langen Flug an, zehrt aber irgendwann von seinen eigenen Organen. Was das bedeutet, ist klar …)

Inzwischen ist es bald dreiundzwanzig Uhr und ich will morgen nach Husum. Um acht fährt die Fähre, mit Kaffee und Haferflockensüppchen vorweg muss ich spätestens um halb sieben aufstehen. Also verschone ich euch jetzt mit Himmelsbildern, Warftbildern, Wattbildern und Sonnenuntergangsbildern, denn Fotos aussuchen kostet Zeit. Ich liefere nach. Gute Nacht!